
Kommunale Wärmeplanung: Der Schlüssel zur klimaneutralen Wärmeversorgung 2045
Seit Januar 2024 ist die kommunale Wärmeplanung das zentrale Instrument für die Transformation der deutschen Wärmeversorgung. Durch das Wärmeplanungsgesetz (WPG) startet Deutschland das weltweit ehrgeizigste Programm zur Dekarbonisierung der Heizungslandschaft. Über 11.000 Gemeinden müssen bis 2026 bzw. 2028 verbindliche Wärmepläne erstellen, die den Weg zur klimaneutralen Wärmeversorgung bis 2045 festlegen.
In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie über die kommunale Wärmeplanung, rechtliche Grundlagen und Umsetzung wissen sollten.

Was ist kommunale Wärmeplanung?
Die kommunale Wärmeplanung ist ein systematischer Planungsprozess, bei dem Gemeinden flächendeckend analysieren, wie die Wärmeversorgung ihrer Gebäude künftig klimaneutral gestaltet werden kann. Sie verbindet die örtliche Wärmebedarfsanalyse mit dem Ausbau erneuerbarer Energien und schafft Planungssicherheit für Hausbesitzer bei der Heizungsmodernisierung.
Das Wärmeplanungsgesetz koordiniert dabei strategisch mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG): Die 65%-Erneuerbare-Energien-Pflicht für neue Heizungen tritt erst nach Abschluss der Wärmeplanung in Kraft – in Großstädten ab Juni 2026, in kleineren Gemeinden ab Juni 2028.
Rechtlicher Rahmen und Fristen
Gesetzliche Grundlagen
Das Wärmeplanungsgesetz schafft erstmals eine bundesweite Verpflichtung zur systematischen Wärmeplanung. Die Umsetzung erfolgt über die Bundesländer, die die Verantwortung größtenteils an die Kommunen delegieren, weshalb es unterschiede je nach Bundesland und Gemeindegröße gibt.
Finanzielle Unterstützung
Der Bund stellt 500 Millionen Euro bis 2028 für die Planungskosten zur Verfügung. Zusätzlich gewähren die Bundesländer Konnexitätszahlungen. Baden-Württemberg zahlt beispielsweise 3.000 Euro plus 0,06 Euro pro Einwohner jährlich, Nordrhein-Westfalen 165.000 Euro plus 1,36 Euro pro Einwohner.
Technische Umsetzung: Der 4-Phasen-Prozess
Die kommunale Wärmeplanung folgt einem standardisierten Verfahren mit vier aufeinander aufbauenden Phasen:
Phase 1: Bestandsanalyse
In der ersten Phase werden umfassende Daten zum aktuellen Zustand der Wärmeversorgung gesammelt und analysiert.
- Wärmebedarfsermittlung: Der aktuelle Energieverbrauch wird durch Daten von Energieversorgungsunternehmen und Zählermessungen ermittelt, um den exakten Wärmebedarf der Region zu bestimmen. Dies umfasst sowohl den privaten als auch den gewerblichen Verbrauch.
- Gebäudeanalyse: Hierbei werden Katasterdaten sowie statistische Korrelationen genutzt, um die Gebäudestruktur und den Wärmeschutz der Bestandsgebäude zu analysieren. Wichtige Faktoren sind u. a. Baujahr, Wärmedämmung und Heizungsart.
- Infrastrukturanalyse: Eine Dokumentation der bestehenden Wärme- und Gasnetze gibt Auskunft über die Verteilung und Versorgungsfähigkeit der Infrastruktur. Dies ist wichtig, um Schwachstellen zu identifizieren und zukünftige Erweiterungen zu planen.
Phase 2: Potenzialanalyse
In dieser Phase werden die verschiedenen erneuerbaren Energiequellen und ihre lokalen Potenziale untersucht. Diese Potenzialanalyse zeigt auf, welche Ressourcen in der Region verfügbar sind und wie sie genutzt werden können, um eine nachhaltige und kostengünstige Wärmeversorgung zu gewährleisten.
Phase 3: Zielszenario-Entwicklung
Nun wird ein langfristiges Zielszenario entwickelt, das den Transformationsprozess hin zur klimaneutralen Wärmeversorgung beschreibt. Dabei werden Zwischenziele für die Jahre 2030, 2035, 2040 und 2045 festgelegt, die den Fortschritt der Umsetzung messen.
- Entwicklung von Transformationspfaden: Es werden klare Handlungsstränge entwickelt, die aufzeigen, wie der Übergang von fossilen Heizsystemen zu erneuerbaren Quellen schrittweise erfolgen kann. Dies umfasst konkrete Maßnahmen wie den Ausbau von Wärmepumpen, Fernwärmeanschlüssen oder geothermischen Anlagen.
- Zielzonen-Definition: Verschiedene Zonen innerhalb der Gemeinde werden festgelegt, um unterschiedliche Versorgungsarten (z. B. Wärmepumpen, Fernwärme oder Solarthermie) optimal einzusetzen. Diese Zonen basieren auf den Ergebnissen der Bestands- und Potenzialanalyse und berücksichtigen sowohl die Infrastruktur als auch die geographischen und klimatischen Gegebenheiten.
Phase 4: Umsetzungsstrategie
n der letzten Phase werden konkrete Umsetzungsmaßnahmen entwickelt, die alle notwendigen Schritte zur Erreichung der festgelegten Ziele beinhalten.
- Maßnahmenkonkretisierung: Es werden detaillierte Pläne zur Installation von erneuerbaren Heizsystemen erstellt. Dazu gehören etwa Zeitpläne, Finanzierungsmodelle, Fördermöglichkeiten und Priorisierungen von Projekten.
- Kosten- und Verantwortlichkeitszuweisung: Die finanziellen Mittel und Zuständigkeiten werden klar festgelegt. Dies betrifft sowohl die öffentliche Hand als auch private Investoren, die in den Ausbau der Infrastruktur investieren müssen.
- Verbindliche Umsetzungsschritte: Jeder Schritt auf dem Transformationspfad wird mit spezifischen Zeitrahmen und Verantwortlichkeiten versehen, sodass die Umstellung auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2045 realisierbar ist. Diese Phase stellt sicher, dass der Plan nicht nur theoretisch existiert, sondern auch praktisch umgesetzt wird, um die Klimaziele zu erreichen.
Technologievergleich: Fernwärme vs. dezentrale Lösungen
Fernwärmeversorgung: Vorteile urbaner Netze
Deutschland verfügt bereits über 4.100 Fernwärmesysteme mit 34.000 km Rohrleitungen, die 140 TWh jährlich liefern und 14% des Wärmebedarfs decken. Für die Klimaziele sind 100.000 neue Gebäudeanschlüsse jährlich erforderlich.
Vorteile der Fernwärme:
- Hohe Effizienz durch Kraft-Wärme-Kopplung
- Zentrale Integration erneuerbarer Quellen möglich
- Geringerer Wartungsaufwand für Hausbesitzer
- Nutzung industrieller Abwärme
Nachteile der Fernwärme:
- Hohe Infrastrukturkosten (500-900 €/m Leitung)
- Anschlusskosten 3.000-15.000 € pro Gebäude
- Abhängigkeit von zentraler Versorgung
- Nur bei hoher Siedlungsdichte wirtschaftlich
Dezentrale Wärmepumpen: Flexibilität für den ländlichen Raum
Über 1,5 Millionen Wärmepumpen sind bereits installiert. Die Branche beschäftigt 26.000 Menschen in 650 Unternehmen mit 2,8 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Vorteile von Wärmepumpen:
- Universell einsetzbar
- Hohe Effizienz (COP 3-6)
- Individuelle Kontrolle
- Kombinierbar mit Photovoltaik
Nachteile von Wärmepumpen:
- Höhere Stromkosten
- Sanierungsbedarf bei Altbauten
- Netzausbau erforderlich
- Fachkräftemangel bei Installation
Kostenanalyse und Wirtschaftlichkeit
Gesamtinvestitionsbedarf bis 2045
Die umfassende Transformation der Wärmeversorgung in Deutschland erfordert bis zum Jahr 2045 Investitionen in Höhe von insgesamt 74,4 Milliarden Euro. Davon entfallen 43,5 Milliarden Euro auf den Zeitraum bis 2030. Dies entspricht einem jährlichen Investitionsbedarf von etwa 3,5 Milliarden Euro. Diese Mittel werden benötigt, um die Fernwärmenetze auszubauen, Wärmespeicher zu installieren und neue, klimafreundliche Erzeugungsanlagen zu schaffen. Ein zentrales Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien in der Fernwärmeversorgung bis 2030 auf 50 % und bis 2045 auf 100 % zu erhöhen. Dies erfordert einen umfassenden Umbau der bestehenden Infrastruktur.
Auswirkungen auf Verbraucher
Die Heizkosten für Fernwärme sind in den letzten Jahren gestiegen. Im Jahr 2024 lagen die durchschnittlichen Fernwärmepreise in Deutschland bei etwa 15,2 Cent pro Kilowattstunde (inklusive Mehrwertsteuer). Dies stellt einen Anstieg von rund 30 % im Vergleich zum Vorjahr dar. Für eine durchschnittliche 70 m²-Wohnung bedeutet dies zusätzliche jährliche Heizkosten von etwa 225 Euro.
Langfristig gesehen können jedoch Einsparungen von 10–30 % gegenüber fossilen Heizsystemen erzielt werden. Dies ist insbesondere auf die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien und die damit verbundenen geringeren Brennstoffkosten zurückzuführen. Ein weiterer Vorteil ist die höhere Preisstabilität der Fernwärme im Vergleich zu fossilen Brennstoffen. Dennoch ist es für Verbraucher wichtig, die Preisentwicklung zu beobachten und gegebenenfalls alternative Heizsysteme in Betracht zu ziehen.
Regionale Umsetzungsstrategien
Städtische Gebiete (>3.000 Einwohner/km²)
Priorisierte Technologien:
- Fernwärme mit erneuerbaren Quellen
- Integration industrieller Abwärme
- Geothermie-Großanlagen
- Komplexe Multi-Vektor-Systeme
Erfolgsbeispiele:
- München: 560.000 Haushalte bis 2040 an Geothermie-Fernwärme
- Rostock: 67% Fernwärmeabdeckung bereits erreicht
- Leipzig: Ausgewogener Mix aus Fernwärme und dezentralen Lösungen
Ländliche Gebiete (<500 Einwohner/km²)
Priorisierte Technologien:
- Individuelle Wärmepumpen
- Lokale Biomassenutzung
- Regionale Kooperationen
- Koordinierter Netzausbau
Ein Erfolgsbeispiel ist der Landkreis Lörrach:35 Gemeinden auf 806 km² arbeiten interkommunal zusammen und reduzieren so die Pro-Kopf-Kosten durch Skaleneffekte erheblich.
Aktueller Umsetzungsstand
Aktuell arbeiten 42 % der deutschen Gemeinden aktiv an ihrer Wärmeplanung, während 13 % bereits abgeschlossen haben. Besonders fortschrittlich ist Baden-Württemberg, das mit etwa 50 % aller deutschen Wärmepläne an der Spitze liegt. Dies basiert auf der Planungspflicht, die seit 2020 besteht.
In der praktischen Umsetzung gibt es jedoch einige Herausforderungen. Eine häufige Problematik stellt die schwierige Datenbeschaffung dar, da die benötigten Informationen oftmals nicht zentral verfügbar sind. Zusätzlich kämpfen viele Kommunen mit begrenzten personellen Ressourcen, was die effektive Planung erschwert. Auch die Koordination der verschiedenen Akteure ist komplex, da viele unterschiedliche Interessen und Zuständigkeiten berücksichtigt werden müssen. Ein weiteres Hindernis ist die Unsicherheit bei der Auswahl der richtigen Technologien, da es eine Vielzahl von Optionen gibt, die jeweils unterschiedliche Anforderungen und Investitionen mit sich bringen.
Zur Lösung dieser Probleme haben sich bewährte Ansätze etabliert. Standardisierte Verfahren zur Datenerfassung erleichtern die Sammlung und Auswertung von Informationen. Interkommunale Kooperationen ermöglichen es, Ressourcen zu bündeln und die Planung auf breiterer Basis umzusetzen. Der Einsatz externer Fachberatung hilft, spezialisierte Expertise einzubringen, die vor allem bei der Wahl der richtigen Technologien von Bedeutung ist. Eine professionelle Projektbegleitung stellt sicher, dass die Planung zielgerichtet und effizient voranschreitet.
Unsere Handlungsempfehlungen
Für Hausbesitzer
Bis zum Abschluss der Wärmeplanung:
- Bestehende Heizung warten und gegebenenfalls reparieren
- Energetische Sanierung vorantreiben
- Informationen der Gemeinde verfolgen
- Keine voreiligen Heizungsinvestitionen
Nach Veröffentlichung des Wärmeplans:
- Konkrete Technologie-Empfehlungen befolgen
- Fördermittel frühzeitig beantragen
- Qualifizierte Fachbetriebe beauftragen
- Langfristige Kostenkalkulation durchführen
Für Kommunen
Erfolgsfaktoren:
- Frühzeitiger Kapazitätsaufbau
- Professionelle Projektsteuerung
- Umfassende Bürgerbeteiligung
- Realistische Zeitplanung
- Interkommunale Kooperationen prüfen
Fazit: Systematischer Wandel braucht lokale Planung
Die kommunale Wärmeplanung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Wärmewende in Deutschland. Mit dem weltweit ambitioniertesten systematischen Ansatz zur Heizungsdekarbonisierung schafft Deutschland Planungssicherheit für Millionen von Haushalten und ermöglicht koordinierte, kosteneffiziente Transformationen.
Zentrale Erfolgsfaktoren:
- Koordination: Enge Verzahnung zwischen WPG und GEG verhindert Fehlinvestitionen
- Technologieneutralität: Lokale Gegebenheiten bestimmen optimale Lösungen
- Finanzierung: Umfassende Förderung von Planung und Umsetzung
- Partizipation: Einbindung aller relevanten Akteure von Beginn an
Die ersten Erfahrungen zeigen: Erfolgreiche Wärmeplanung ist mehr als ein technischer Planungsprozess – sie erfordert professionelle Koordination zwischen verschiedenen Akteuren, Verwaltungsebenen und Zeithorizonten. Gemeinden, die frühzeitig beginnen und systematisch vorgehen, schaffen die Grundlagen für eine klimaneutrale und wirtschaftliche Wärmeversorgung ihrer Bürger.
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